Tag 1: Von Magdeburg nach Innsbruck
Die Sonne lacht. Wir strahlen, denn jetzt geht es endlich los. 36 aufgeregte Schüler verabschieden sich von ihren noch aufgeregteren Eltern. Matthias´ Mama (Name geändert) erstürmt in letzter Sekunde noch einmal den Bus und drückt Sohnemann (16 Jahre), unter allgemeinem Gejohle der Mitschüler, einen dicken Schmatzer auf die Stirn.
Drei Fastfood-Restaurants, fünf Sanifair-Stationen und zehn Stunden später landen wir endlich in Innsbruck. Großer Bus und kleine Gassen: Was soll das nur werden??? Mit Gottes Segen und Unterstützung von Pfarrer Maximilian erreicht der Bus das erste Ziel: die Pfarre Pradl.
PS: Mama von Matthias ruft noch einmal an und erfragt, ob tatsächlich alles in Ordnung sei. Küsschen.
Nach einer kurzer Anspielprobe kommt endlich der wohlverdiente Feierabend. Dank der Jugendherberge kann der Abend bei Schnitzel und Kuchen ausklingen.
Tag 2: Brezen in Innsbruck
10.30 Uhr sitzen 36 Halb- bis Ganzwüchsige auf der Empore der Pradlkirche in Innsbruck. Auf gefühlten vier Quadratmetern kuscheln sich die Schüler behaglich an ihre Instrumente und warten auf den Beginn des Gottesdienstes. Und dann geht es tatsächlich los. Mit dem wunderbaren Lied „Wo Menschen sich vergessen“ eröffnen wir die Heilige Messe und schon nach wenigen Takten ist klar, dass zwischen Magdeburg und Innsbruck die Chemie stimmt. Nach Gänsehaut und andächtigem Mitsingen folgen Lobeshymnen auf das Magdeburger Schulorchester. Mit einem riesigen Sack voller Brezen im Gepäck steigen wir zufrieden in den Bus und weiter gehts nach Kroatien.
Beste Stimmung im Bus: Sofie und Anton (wie immer Namen geändert) kuscheln in der dritten Reihe, Johanna und Maria singen begeistert mit beim Film Mamma Mia, weiter hinten (und vorn und in der Mitte und überhaupt) verbreitet sich langsam eine gedrückte Stimmung: Der Live-Ticker der Fußball-WM verspricht nichts Gutes. Nach Spielende vernimmt man überdurchschittlich viele Schniefer, besonders John leidet. Seine Freunde trösten ihn und nach einigen aufbauenden Schulterklopfern singt bald wieder der ganze Bus begeistert mit, wenn die Hits der 80er Jahre durch unseren Tourbus hallen. Nach dem Spiel ist vor dem Spiel.
Tag 3: Fällt das erste Konzert ins Wasser?
Gleich nach dem Frühstück decken sich alle mit für die nächsten Tage notwendigen Utensilien ein: Luftmatratze, Wasserflasche und Badeschuhe. Es ist immer wieder schön zu sehen, wie Lehrer (29+) und Jugendliche zu kleinen Kindern werden, wenn Sonne und Wellen im Spiel sind.
Nach der obligatorischen Siesta steigt langsam die Aufregung, denn das erste große Abendkonzert naht. Wir landen pünktlich mit unserem Tourbus in dem malerischen Küstenörtchen Porec und sind voller Vorfreude, natürlich bei strahlendem Sonnenschein. Dann geschieht das Unfassbare: Nach den ersten zwei zarten Tropfen stürzt ein schier unerschöpflicher Wasservorrat aus dem mediterranen Himmel. Es regnet in Strömen. Wir brauchen ein paar Sekunden, um zu begreifen, was gerade geschieht, doch dann zeigt sich, dass alle Schüler wunderbar mitdenken. Es wird gegriffen, was gerade in der Nähe steht, und blitzschnell sind die Instrumente, die Notenständer und die teure Technik in einem Kirchenportal und einer Bushaltestelle in Sicherheit gebracht. Nach einer knappen halben Stunde ist der nasse Spuk vorbei; die Sonne strahlt als wäre nichts gewesen. Wir machen es ihr nach und genießen mit dem Publikum unser erstes Open-air-Konzert.
Tag 4: Bei Müller in Kroatien
Das Handy piept früh am Morgen. Es ist Matthias‘ Mama, die sich nicht sicher ist, ob der Sohn weiß, dass er sich vormittags mit Lichtschutzfaktor 50 eincremen soll und dass die Sonnencreme mit Lichtschutzfaktor 30 nur ab 18 Uhr geeignet ist. Matthias (wie immer Namen geändert) wirkt leicht angespannt, geht sich aber vorsichtshalber noch einmal eincremen.
In Rovinj erklimmen wir den Kirchturm der Heiligen Euphenia und sind beeindruckt vom Blick über das romantische Städtchen, das von türkisfarbenem Wasser umgeben ist.
Für den Abend ist ein Konzert im nahegelegenen Novigrad geplant. Nach den Vorbereitungen fürs Konzert haben die Schüler noch etwas Freizeit. Einige schauen sich das verträumte Hafenstädtchen an, andere genießen die kulinarischen Köstlichkeiten Istriens und eine kleine Gruppe Mädchen ist verzückt von der örtlichen Müller-Filiale und vergnügt sich eine ganze Weile in der Schminkabteilung. Bei solch angenehmer Zerstreuung vergisst man doch tatsächlich das sonst so überlebensnotwendige Handy. Und eine sogar in der Drogerieschminkabteilung. Allerdings bemerkt Johanne (Namen geändert) dies erst 13 Minuten nach Ladenschluss. Verzweifelte Nasen drücken sich an die verschlossene Müller-Tür, doch sie lässt sich nicht erweichen und schon gar nicht öffnen. 8 Uhr am nächsten Morgen könne man erst wieder Taschentücher kaufen oder nach vergessenen Handys schauen. Man weiß nicht recht, ob Johanne verzweifelt ist, weil sie jetzt eine ganze Nacht lang aus der Whatsapp-Kommune ausgeschlossen sein wird oder aus Angst vor der elterlichen Reaktion. Aber manchmal sind Lehrer gar nicht so doof; sie lösen auch das Problem und können dem überglücklichen Mädchen am nächsten Tag tatsächlich das Handy überreichen.
Tag 5: Musik mit Herz
„Oh, das habe ich schon einmal in Rom gesehen!“, ruft John, als er die Arena in Pula erblickt. Das obligatorische Gruppenfoto wird vor der traumhaften Kulisse absolviert und dann geht es in die schön restaurierte Altstadt von Pula. Die Wasserspiele erfrischen und erfreuen die Schüler, schließlich befinden wir uns schon wieder jenseits der 30°C Grenze. Matthias wird aufmüpfig: Er hat sich nur mit Lichtschutzfaktor 30 eingecremt, obwohl Mama in mehrfach telefonisch darauf hingewiesen hat.
Ein kleiner Schock durchfährt uns, als wir sehen, dass neben uns eine Profiband aufbaut. Aber schnell wird klar, dass wir vorher mit unserer Musik die Massen begeistern können. Das Bonbon für uns sind die Abschiedsworte einer Kroatin: „Ihr seid vielleicht ein Amateurorchester, aber ihr klingt wie Profis, denn ihr spielt mit Herz.“
Tag 6: Brass am Balaton
Die Schüler sind geschockt, als sie erfahren, dass wir um 7:00 Uhr frühstücken müssen. Die Lehrer sind geschockt, dass einige Schüler bereits um 6:00 Uhr ihr letztes Bad im Meer nehmen.
Ohne Hopper-Ticket hoppen wir von Kroatien nach Ungarn. An der Grenze haben wir allerdings das Gefühl, eine Hehler-Bande zu sein. Jeder Schüler wird einzeln durchgecheckt, das Gepäck durchleuchtet und sogar die Bustoilette wird von Hunden argwöhnisch durchschnüffelt.
Nach 9 Stunden Busfahrt kommen wir am Balaton an. Leider bleibt kaum Zeit, dass schöne Hotel mit Pool, Spielplatz und Billardtisch zu erobern. Aber mit einem leeren Magen kann man nicht spielen. Kurzerhand bestellen wir beim örtlichen Italiener 30 Pizzen und dinnieren auf dem hoteleigenen Rasen.
Zum ersten Mal auf dieser Tournee dürfen wir auf einer echten Bühne spielen. Der Platz könnte kaum romantischer sein. Mit dem im Abendrot schimmernden Balaton im Rücken und der duftenden Langoś-Hütte vor uns bezaubern wir Einheimische und Touristen mit unserer Musik.
Tag 7: 30°C ade
Der Temperatursturz war angekündigt, aber dennoch sind wir schockgefrostet beim Verlassen des Hotels. Bei 15°C und Regen bewegt sich der Bus nun langsam Richtung Heimat; zunächst mit dem Zwischenziel Prag. Mit Verspätung kommen wir im U Fleku an, das Abendbrot müssen wir verschieben. Die Größe des Biergartens und die Touristenströme, die nach Zeitplan hinein- und dann wieder hinausgeschleust werden, schüchtern uns ein wenig ein, aber wir sind Profi genug, um das durchzuziehen. Das Publikum ist begeistert, aber das überrascht nicht, denn es sind einige Groupies angereist. Die Eltern von vier Orchestermitgliedern wollen ihre Söhne überraschen und sind extra von Magdeburg nach Prag gereist. Die Überraschung ist gelungen, so oder so. Matthias ist froh, dass kein Sonnencreme-Wetter ist, sonst hätte er wohl Ärger mit Mami bekommen.
Die Mägen der Musiker schleifen inzwischen am Boden, aber zum Glück hatten wir bereits im Vorhinein 36 Portionen handmade Burger bestellt. Dachten wir. Wir müssen erkennen, dass 20 Uhr in Prag nicht 20 Uhr bedeutet. Der Koch schaut überrascht drein, als wir tatsächlich 20 Uhr auf der Matte stehen, schluckt kurz und faselt etwas von 15 Minuten. Die hätten wir noch gerade so, bevor der sonst so gutmütige Busfahrer nervös wird, zurecht, denn er hat heute schon einige Stunden Fahrt am Lenkrad hinter sich. Mit 15 Minuten in Tschechien verhält es sich offenbar so wie mit einer Viertelstunde in Spanien, Zeit ist eben relativ und so haben wir 45 Minuten später erst alle Portionen in der Hand. Nun geht es ab ins letzte Hotel unserer Reise. Langsam macht sich Wehmut breit. Und Müdigkeit.
Tag 8: frostiges Wetter, aber ein heißes Publikum in der Heimat
Nachdem alle Tourteilnehmer glücklich in die herzlichen Arme der Lieben zu Hause und am Abend in einen erholsamen Tiefschlaf gefallen sind, verspricht der nächste Morgen nichts Gutes: Am Nachmittag soll das Abschlusskonzert am Mückenwirt stattfinden, natürlich Open Air, doch es regnet bereits den ganzen Vormittag bei strickjackigen Tiefsttemperaturen in Strömen. Aber wenn Engel reisen und dann wieder nach Hause kommen, klappt es auch mit dem Wetter. Wie durch ein Wunder ist es dem engagierten Verein Norbertus musiziert e.V. gelungen, auf den letzten Drücker doch noch eine Bühne (mit Überdachung!) für das Konzert zu organisieren, sodass wir die letzten kleinen Regentropfen souverän weglächeln und uns bei unserem treuen Publikum in Magdeburg mit dem Abschlusskonzert bedanken.
Es gäbe noch viel mehr zu berichten, beispielsweise von leckerem Kuchen auf der Busfahrt, von knutschenden Teenagern oder von tanzenden Fans, aber so viel Platz ist hier nun wirklich nicht und außerdem kann natürlich nicht alles verraten werden.